Ein Auszug aus dem deutschen Fachblatt ’die Schallplatte’ (Oktober 1956):
Ganze 21 Jahre ist er alt und dabei in Amerika weit berühmter als sein gerade auch nicht unbekannter Landsmann Billy Graham, dem man sinnigerweise den Beinamen „das Maschinengewehr Gottes" anhängte. Beide haben sie etwas gemeinsam, wenn auch der Brennstoff, mit dem sie ihre vollgepfropften Säle zum Kochen bringen, aus verschiedenen Quellen fließt. Elvis Presley jedenfalls heizt mit Nitroglyzerin. Einer von ihm verzauberten Broadway-Journalistin mit blasentreibender Phantasie blieb es vorbehalten, auch für Elvis einen Beinamen zu schneidern, der ihm genau so gut passt wie der modische Gabardine-Anzug oder das schwarze Hemd, das dieser Medizinmann des „Rock'n'Roll" als Kultgewand trägt, wenn er den Ritus seines Super-Rhythmus vor dem Mikrophon zelebriert. Der explosive Einsatz seines orgelnden Baritons machte den einstigen Lastkraftwagenfahrer aus Tupelo im Staate Mississippi in unwahrscheinlich kurzer Zeit zum „Troubadour einer neuen Art von Schlagermusik, zum Bruder, Märtyrer und Idol für die Teenager des Landes".
Elvis Presley hat es, wie bisher keiner, fertig gebracht, dem weißen Mann die ganze dynamische Stimulanz der schwarzen Musik in die Adern zu pumpen. Man streitet sich nicht einmal mehr darüber, ob Elvis überhaupt singen kann oder nicht. Das ist völlig unwichtig geworden. Eine richtige Ausbildung hat er jedenfalls nie genossen, und die ersten Gitarrengriffe übte er auf einem alten Besenstiel, weil er ein zu armer Teufel war, um sich ein Instrument kaufen zu können. Manche behaupten, es klinge wie das liebevolle Röhren eines Außenbordmotors, wenn der junge Derwisch des „Rock'n'Roll" seine kurz gehackten Silben zum aufpeitschenden Rhythmus der Band ins Mikrophon schüttet.
Spätestens in zwei Stunden geht die Ladung im Sprengstollen, den Elvis’ röhrender Bariton ins Parkett bohrt, hoch. Die Jugendlichen - und meist besteht seine Hörerschaft aus Halbwüchsigen - leidet es nicht mehr auf den Sitzen. Es ist, als wenn ein Gewitter losbricht! Die Boys reißen sich die Hemden auf, ihr Blick wird starr, und der Saal wird zur Urwald-Lichtung, auf der die Wilden unter dem Zwang der Dämonen rasen.
Inzwischen haben die „Rock'n'Roll"-Rhythmen auch in Europa gezündet, Königin Elizabeth ließ sich Filme und Schallplatten auf Schloss Balmbral in Schottland kommen, um sich das geisterhafte Medium anzuhören, in dessen Bann ihre jugendlichen Untertanen das Gestühl in den Kinos von London und Manchester zersplitterten.
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass sich Elvis Presley für die ersten ersparten. drei Dollar eine miserable Gitarre kaufte und an den Straßenecken zu singen begann. Als er sich bei einer kleinen Firma in Memphis/Tennessee meldete, um auf eigene Kosten eine Schallplatte zu machen, wurde er sofort verpflichtet. Die Verkaufszahlen dieser Platte gingen in die Höhe wie eine Rakete. Im Dezember vorigen Jahres nahm ihn RCA unter Vertrag. Heute hat Elvis seinen eigenen Verlag, fährt drei Cadillacs, ein Motorrad und eine Messerschmitt-Maschine. Zehn Millionen seiner Schallplatten wurden in einem einzigen Jahr verkauft. „Hound Dog" allein brachte die Rekordzahl von über zwei Millionen. Sein Gesamtschallplattenumsatz beträgt bisher rund 24 Millionen DM!
So was war noch nicht da! Aber es war auch noch kein „Rock'n'Roll" da, und es war auch noch kein Elvis Presley da. Mit seiner neuesten Platte „Heartbreak-Hotel" hat der „Bruder, Märtyrer und das Idol der Teenager" sogar so etwas wie einen „Super Rock and Roll" geschaffen. Elvis' Lieder sind einfach, ja simpel zu nennen, aber ihr Rhythmus peitscht unaufhörlich - erbarmungslos - alle Sinne betörend. Elvis Presley ist ein Teufel geblieben, aber kein armer. Elvis Presley wurde der König einer neuen Musik.
Von den eigenen Rhythmen berauscht, wiegt er sich vor dem Mikrophon in den Bewegungen einer Entkleidungstänzerin und singt so, wie Marilyn Monroe geht.
Gruß
Heino